I5     Hafele und Keating reisen um die Welt


Etwa um 1960 war die Genauigkeit der Cäsium-Atomuhren so gross, dass man daran denken konnte, die Effekte der SRT und der ART mit solchen Uhren direkt zu prüfen. Während andere Experimente mit Satelliten planten, bereiteten J. Hafele und R. Keating in aller Stille die Durchführung eines derartigen Tests mit gewöhnlichen Linienflugzeugen vor. Im Oktober 1971 flogen sie - einmal in Ostrichtung und ein zweites Mal in westlicher Richtung - um die Welt. Zusammen mit den 4 Atomuhren belegten die beiden 4 Plätze erster Klasse. Während des Flugs zeichneten sie laufend Flughöhe, Fluggeschwindigkeit und Flugrichtung auf.

Die ART verlangt, dass die Uhren in grösserer Höhe schneller laufen als identische Vergleichsuhren am Boden. Die SRT verlangt, dass für ruhende Uhren mehr Zeit verstreicht als für bewegte. Dabei muss man sich aber auf ein Inertialsystem beziehen, und ein solches ist die rotierende Erde nicht! Die Vergleichsuhren am Boden haben infolge der Erdrotation schon eine erhebliche Geschwindigkeit (wenn sie sich nicht am Nordpol befinden ...). Zu dieser Geschwindigkeit muss beim Ostflug die Geschwindigkeit des Flugzeuges addiert werden. Beim Westflug muss diese jedoch subtrahiert werden, was nach aufwendigen Auswertungen zu den folgenden erwarteten Zeitunterschieden gegenüber den ‘zuhause gebliebenen’ Uhren führte:


Gemessen wurden von Hafele und Keating beim Westflug  + 273 ± 7 Nanosekunden in schon fast verdächtig guter Übereinstimmung mit dem erwarteten Wert. Beim Ostflug tanzte die Uhr mit der Serienummer 361 mit ihren - 74 Nanosekunden etwas aus der Reihe, die anderen drei Uhren lagen mit - 51 bis - 57 ns nahe beisammen. Der Mittelwert aller vier Uhren lag bei - 59 ± 10 Nanosekunden.


Besonders schön an diesem Experiment ist erstens, dass man die Effekte von SRT und ART in einem gewissen Sinn trennen kann, obwohl eine Uhr ja immer nur die Gesamtwirkung misst. Zweitens ist es einfach gerissen, wie die beiden mit minimalsten Mitteln den anderen mit ihren aufwendigen Satellitenexperimenten die Show gestohlen haben. Das hat auch einige Leute verstimmt; man kann das Experiment von Hafele und Keating auch ‘ergooglen’, indem man als Suchwort ‘wissenschaftliches lausbubenstück’ eingibt. Diese Redewendung stammt wohl aus [38-24]. Hier ist noch ein Link zu einem entsprechenden Artikel des Time Magazine's vom 18. Oktober 1971.

Hafele und Keating konnten die Prognosen von ART und SRT mit einer Genauigkeit von etwa 9% bestätigen. Eine deutliche Steigerung wurde beim Experiment von Maryland erzielt, welches wir im nächsten Abschnitt I6 besprechen. Mit einem Raketenflug eines Wasserstoff-Masers, der als Uhr diente, erreichten R.F.C. Vessot und M.W. Levine nach mehrjähriger Auswertung der Messdaten 1979 ein Endergebnis, welches eine Unsicherheit von ± 0.02% aufwies und innerhalb dieser Grenzen mit den Vorhersagen von SRT und ART übereinstimmte. Dieser Raketenflug wird neuerdings mit ‘Gravity Probe A’ bezeichnet (I8). Heute laufen diese Uhrenexperimente sozusagen in der umgekehrten Richtung: Man setzt voraus, dass die Atomuhren in den GPS-Satelliten gemäss SRT und ART ‘falsch’ laufen, korrigiert die Zeitsignale entsprechend und errechnet sich aus den präzisen Bahndaten und den korrigierten Signalen von vier derartigen Satelliten 3d-Positionen nahe der Erdoberfläche auf einige Millimeter genau (I7).

Nachtrag vom Mai 2009: Mein Misstrauen gegenüber der fast zu guten Übereinstimmung von Prognose und Experiment scheint sich zu bestätigen. A. G. Kelly weist in einem Internetbeitrag darauf hin, dass sich aus den erst vor kurzem publizierten Originalmesswerten von Hafele und Keating keineswegs die Resultate seriös ableiten lassen, mit welchen die beiden bekannt geworden sind. Statt von einem 'wissenschaftlichen Lausbubenstück' müsste man vielleicht eher von Betrug sprechen.
 

Hafele und Keating mit ihren Atomuhren an Bord ihrer Boeing 747