K6    Alternative Herleitungen von  E = m·c2


Wir haben diese Formel in E4 auf dem üblichen Weg über die kinetische Energie und die dafür investierte Beschleunigungsarbeit hergeleitet. Ähnlich wie beim Satz des Pythagoras gibt es aber auch zu dieser berühmten Gleichung viele Beweise oder Herleitungen. Auf die wohl schönste habe ich schon im letzten Abschnitt auf p.79 aufmerksam gemacht. Einstein verwendet dabei die Impulserhaltung und die Energieerhaltung sowie die Formeln für die Energie und den Impuls von Photonen. Sie ist dargestellt in [25-121ff] oder auch bei [26-57f].

Einige weitere schöne Beweise (siehe [26-55ff], [10-160ff]) benützen ebenfalls den Impuls von Lichtteilchen oder den Strahlungsdruck, den eine elektromagnetische Welle ausübt. Diese Grösse war um 1880 (also schon ‘lange’ vor der Quantentheorie) aus der Theorie von Maxwell bekannt.

Max Born hat in seiner seit 1920 immer wieder aufgelegten allgemein verständlichen Darstellung [43-240f] der Relativitätstheorien Einsteins einen anderen Zugang gewählt. Er leitet die Formel aus dem inelastischen Zusammenstoss zweier Klumpen bei nicht-relativistischen Geschwindigkeiten ab, also genau aus dem Vorgang, der in E3 auf p.72 dargestellt ist. Diesen Weg beschreiten im Prinzip auch Sexl et al. in [8-24]: Die Formel für den Massenzuwachs nach einer Beschleunigung wird in eine Potenzreihe entwickelt, Glieder vierter und höherer Ordnung von v/c werden vernachlässigt und man erkennt, dass gilt  Ekin = ∆m·c2 .

Dasselbe machte schon Einstein im September 1905. In seinem Aufsatz mit dem Titel “Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig?” leitet er die berühmte Gleichung aus seinen Transformationsformeln für die Strahlungsenergie her, die wir nicht besprochen haben. Der Aufsatz umfasst nur vier Seiten, er kann aber nicht unbedingt zur Lektüre empfohlen werden. Immerhin können wir die letzten Abschnitte verstehen, in denen Einstein zeigt, dass er sich der allgemeinen Folgen seiner Formel sehr bewusst ist. Ich habe im Zitat das Formelzeichen L, welches Einstein für die Energie damals noch benutzte, durch E ersetzt; und für die Lichtgeschwindigkeit habe ich c geschrieben statt V :

Gibt ein Körper die Energie E in Form von Strahlung ab, so verkleinert sich seine Masse um E/c2 . Hierbei ist offenbar unwesentlich, dass die dem Körper entzogene Energie gerade in Energie der Strahlung übergeht, so dass wir zu der allgemeineren Folgerung geführt werden:
Die Masse eines Körpers ist ein Maß für dessen Energieinhalt; ändert sich die Energie um E, so ändert sich die Masse in demselben Sinn um E / 9·1020 , wenn die Energie in Erg und die Masse in Grammen gemessen wird.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass bei Körpern, deren Energieinhalt in hohem Maße veränderlich ist (z.B. bei den Radiumsalzen), eine Prüfung der Theorie gelingen wird.
Wenn die Theorie den Tatsachen entspricht, so überträgt die Strahlung Trägheit zwischen den emittierenden und absorbierenden Körpern.

Bern, September 1905.

(Eingegangen 27. September 1905)                                                                                        [12-183]

Sämtliche Arbeiten von Einstein in der Zeitschrift "Annalen der Physik" können auch als pdf-Fotokopien hier heruntergeladen werden.