B6      Quantitatives zur Relativität der Gleichzeitigkeit


Wir haben in B1 nur festgestellt, dass die Synchronisation von Uhrensätzen in verschiedenen Bezugssystemen scheitern muss. Mit B2 würde sie ja auch wenig Sinn machen, auch wenn sie an sich für einen bestimmten Zeitpunkt noch möglich wäre. Es ist aber möglich, ganz genau anzugeben, um wieviel 2 Uhren, die im roten System B synchronisiert sind, aus der Sicht des schwarzen Systems A desynchronisiert sind. Diese Formel wollen wir jetzt herleiten. Sie erscheint in den wenigsten Büchern zur SRT, obwohl sie unverzichtbar ist, wenn man alle Teile sauber zusammenfügen will. Wir werden das bei der Musteraufgabe am Schluss dieses Abschnittes sehen.

Wir benutzen dazu drei Uhren U1, Um und U2, welche sich wie Epsteins kleine Flotte in konstantem Abstand zueinander mit v in x-Richtung des schwarzen, ruhenden, ungestrichenen Systems A bewegen sollen. x’ sei der Abstand benachbarter Uhren im roten, schnellen, gestrichenen System B; x sei der entsprechende Wert, den wir im schwarzen System dafür messen. x’ ist dabei als Eigenlänge grösser als x .

 


Genau dann, wenn Um am Nullpunkt A von Schwarz vorbeifliegt, wird dort ein Blitz ausgelöst. Nennen wir diesen Zeitpunkt 0. Im System von Rot werden dadurch die beiden Uhren U1 und U2 synchronisiert (Um bleibt in der Mitte von U1 und U2, Lorentz-Kontraktion hin oder her!). Wann werden aber U1 und U2 für Schwarz von diesem Blitz getriggert?

U1 fliegt dem Blitz entgegen, U1 wird vom Blitz zum Zeitpunkt t1 getroffen, wobei gilt
t1·c = x – t1·v   ;  also  t1 = x / (c + v)
U2 fliegt dem Blitz davon, U2 wird erst zum Zeitpunkt t2 vom Blitz erreicht mit
t2·c = x + t2·v   ;  also  t2 = x / (c – v)
Die vordere Uhr U2 wird also für Schwarz mit der folgenden ‘Verspätung’ gestartet:    
t1 – t2 = ... (rechne) ... = - 2·v·x / (c2 – v2
Das ist die Zeitdifferenz für Schwarz, der aber genau weiss, dass die roten Uhren langsamer laufen als seine. Die Zeitdifferenz der roten Uhren erhalten wir erst, wenn wir  diesen Wert noch mit unserem Wurzelausdruck multiplizieren:
∆t’ = ( t1 – t2 )·√ = ... (rechne) ... = - 2·x·(v/c2) / √
2·x / √ ist aber genau der Eigenabstand ∆x’ der Uhren U1 und U2 ! Damit erhalten wir das recht einfache Resultat

Für Schwarz sind die roten Uhren, die für Rot synchronisiert sind und in der Richtung der Relativbewegung den Eigenabstand ∆x’ haben, um den Betrag ∆t’ desynchronisiert. Man kann das Resultat noch anders schreiben, man sieht dann besser, dass die Formel so einfach wie möglich geraten ist:

Der Faktor c links des Gleichheitszeichens dient nur der Umrechnung von Zeiten in Längen. Die Desynchronisation ist damit proportional dem Eigenabstand der roten Uhren in Bewegungsrichtung und dem Verhältnis  v/c .


Dass man auf diese Formel nicht verzichten kann, wenn man die ganze Situation widerspruchsfrei darstellen will, studieren wir anhand der folgenden


Musteraufgabe

Ein Teilchen bewege sich mit v = 0.8·c durch ein 12 m langes Rohr, welches an beiden Enden mit Detektoren ausgerüstet ist, die auch eine Uhr enthalten, sodass man die Durchflugszeit sehr genau messen kann. Schwarz sei das System, in dem das Rohr ruht, Rot sei das System des Teilchens. Wir beantworten die folgenden Fragen:

  1. Wie lange dauert der Durchflug des Teilchens durch das Rohr für Schwarz ?
  2. Wie viel Zeit verstreicht dabei im roten System des Teilchens aus der Sicht von Schwarz ?
  3. Wie lang ist das Rohr für Rot ?
  4. Wie lange dauert es für Rot, bis das Rohr über das Teilchen hinweggerast ist ?
  5. Wie viel Zeit verstreicht aus Sicht von Rot während dieses Vorbeiflugs auf jeder Uhr von Schwarz ?
  6. Wie erklärt sich Rot den Messwert von Schwarz ??

Die Fragen 5 und 6 werden in den meisten Schulbüchern weggelassen, dabei bilden sie den Schlussstein im Bogen des Verständnisses der SRT.

Die Antworten:

  1. Zeit ist Weg durch Geschwindigkeit:   ∆t = ∆x/v = 12 m / (0.8·3·108 m/s)  = 50 ns
  2. Wegen der Zeitdilatation wird Rot eine kürzere Dauer messen: ∆t’ = ∆t·√ = 50 ns · 0.6 = 30 ns
  3. Rot sieht das Rohr Lorentz-verkürzt:  ∆x’ = ∆x·√ = 12 m · 0.6 = 7.2 m
  4. Bis das 7.2 m lange Rohr über Rot hinweggeflogen ist verstreichen   ∆t’ = ∆x’/v = 7.2m / (0.8·3·108 m/s) = 30 ns
    (ganz einer Meinung mit Schwarz !)
  5. Die schnellen Uhren von Schwarz ticken für Rot natürlich langsamer als die eigene, im System von Schwarz dauert der Vorgang aus Roter Sicht daher nur ∆t = ∆t’·√ = 30 ns · 0.6 = 18 ns  ( !! )
  6. Auch Rot weiss, dass Schwarz 50 ns misst, Rot führt das aber darauf zurück, dass die beiden Uhren von Schwarz um  ∆t = ∆x·v/c2 desynchronisiert sind, was numerisch genau 12m · 0.8 / (3·108 m/s) = 32 ns  ausmacht. 18 ns Dauer plus 32 ns Desynchronisation ergeben zusammen die 50 ns, die Schwarz mit seinen beiden Uhren gemessen hat !! Prüfen Sie, dass das auch inklusive Vorzeichen richtig kommt.