D6    Die optische Dopplerformel


Sie kennen alle das Phänomen: Ein Krankenwagen nähert sich schnell mit heulender Sirene. Während er an Ihnen vorbeirast sinkt die Tonhöhe der Sirene und bleibt dann auf tieferem Niveau konstant, wenn er sich von Ihnen entfernt. Auch die andere Situation, wo Sie sich schnell an einer stehenden Lärmquelle vorbeibewegen, ist gut bekannt: Sie fahren mit dem Regionalzug über Land, die Fenster lassen sich noch öffnen, und der Zug fährt an einem unbewachten Bahnübergang mit Alarmglocken vorbei.

Diesen Änderungen der wahrgenommenen Tonhöhen entsprechen messbare Änderungen der Frequenzen der Schallwellen. Christian Doppler hat das theoretisch untersucht und festgestellt, dass man die Fälle “Hörer bewegt sich, Schallquelle ruht” und “Schallquelle bewegt sich, Hörer ruht” unterscheiden muss. 1842 hat er Formeln angegeben, die beschreiben, wie sich die Messwerte der Frequenzen resp. der Wellenlängen ändern. Man nennt heute das Phänomen ihm zu Ehren allgemein den “Dopplereffekt”. Wir können leicht verstehen, warum man in der Akustik nicht nur die Relativbewegung von Schallquelle und Hörer betrachten darf: Der Schall breitet sich ja mit einer bestimmten Geschwindigkeit gleichförmig in alle Richtungen im Medium Luft aus! Dieses Trägermedium liefert ein ausgezeichnetes Bezugssystem und war natürlich auch das Vorbild für den Äther, in welchem sich das Licht ausbreiten sollte.

Es nähere sich also ein Beobachter B mit der Geschwindigkeit v einer ruhenden Schallquelle Q . Diese erzeuge einen Ton der Frequenz f(Q). Welche Frequenz f(B) misst dann der Beobachter ?
Dopplers Antwort auf diese Frage ist die folgende, wobei c hier die Schallgeschwindigkeit in Luft meint:

(1)      f(B) = f(Q) · ( 1 + v/c )       Beobachter nähert sich der ruhenden Quelle

Für den Fall, wo sich die Schallquelle mit v einem im Medium Luft ruhenden Beobachter nähert, gilt die folgende Formel

(2)      f(B) = f(Q) / ( 1 - v/c )        Quelle nähert sich dem ruhenden Beobachter

Für Werte von  v/c  < 0.1  unterscheiden sich die beiden Ergebnisse kaum. Der Unterschied wird aber beliebig gross, wenn sich  v/c  dem Wert 1 nähert.

Wechseln wir jetzt vom Schall zu Licht oder allgemeiner zu elektromagnetischen Wellen. Die SRT schliesst aus, dass wir absolut feststellen können, wer ruht und wer sich bewegt. ‘Optisch’ darf es also nur eine einzige Dopplerformel geben ! Diese leiten wir zuerst aus (2) her:

Die Formel (2) bleibt gültig, nur müssen wir zusätzlich berücksichtigen, dass der Oszillator des Senders wegen der Zeitdilatation für den Beobachter B nur noch mit der Frequenz  f(Q) · √ schwingt! Damit erhalten wir   f(B) = f(Q) · √ / ( 1 - v/c ) . Berücksichtigen wir noch, dass wir schreiben können   √  = √( (1 + v/c )·(1 - v/c) )  , so können wir noch ein bisschen kürzen und erhalten


Dasselbe Resultat erhalten wir, wenn wir im Ruhesystem der Quelle argumentieren und von der Formel (1) ausgehen. Der Empfänger B zählt dann mit seiner verlangsamten Uhr mehr, nämlich   1/√  mal soviele Schwingungen pro Sekunde wie jemand, dessen Uhren nicht verlangsamt ticken. Damit gilt  f(B) = f(Q)·(1+v/c)/√ , was nach wenigen Umformungen wieder das eingerahmte Resultat liefert. Beide Dopplerformeln liefern also für Licht in der SRT dieselbe Frequenzverschiebung, die Fälle ‘ruhende Quelle’ und ‘ruhender Beobachter’ lassen sich tatsächlich nicht mehr unterscheiden.


Stellen wir die drei Funktionen   y = 1 + x ;  y = 1 / ( 1 - x )   und   y = √  (( 1 + x )/( 1 - x ))  graphisch dar und lassen den Wert  x = v/c  den Bereich 0 bis 1 überstreichen, so erhalten wir das folgende Bild:

 


Die untere, lineare Funktion gehört zur Dopplerformel (1), die obere blaue zur Dopplerformel (2). Die mittlere rote Kurve beschreibt den optischen (oder relativistischen) Dopplereffekt gemäss der auf der letzten Seite hergeleiteten Formel. Die Unterschiede treten erst deutlich hervor, wenn  v/c  grösser ist als etwa 0.2 . Ab einem Verhältnis von  v/c  grösser als 0.5 werden die Unterschiede in den Prognosen gross bis dramatisch.


In der Astronomie hat der optische Dopplereffekt wichtige Anwendungen. Gemessen werden dort aber nicht Frequenzen von Spektrallinien, sondern deren Wellenlängen (übliches Formelzeichen λ). Daher sollten wir die obige Formel noch entsprechend umformen:

Es ist ja allgemein   λ·f = c  oder  f = c/λ .  Damit ergibt sich

c / λ(B)  =  ( c / λ(Q) ) · √ ( ( c + v )/( c - v ))        und nach der Division durch  c

λ(Q)  =  λ(B) · √ (( c + v )/( c - v ))         oder      λ(B)  =  λ(Q) · √ (( c - v )/( c + v ))

λ(Q)  ist bekannt und  λ(B)  wird gemessen. Daraus lässt sich die Geschwindigkeit v berechnen, mit der sich die Quelle auf uns zu ( v > 0 ) oder von uns weg ( v < 0 ) bewegt, also die sogenannte Radialgeschwindigkeit. Löst man obige Formel nach  v  auf, so erhält man

Seit wenigen Jahren verfügen die Astronomen über derart präzise Spektrometer, dass sie periodische Schwankungen in der Radialgeschwindigkeit von Sternen im Bereich von wenigen Metern pro Sekunde nachweisen können. Dies ist eine der wichtigsten Methoden für den Nachweis der Existenz von Planeten bei anderen Sternen. Die Graphik auf dieser Seite gibt einen Eindruck von der erreichten Präzision. Die Messwerte der Radialgeschwindigkeit sind mit einer Unsicherheit von etwa ± 1 m/s eingetragen! Diese Schwankungen der Radialgeschwindigkeit ergeben sich daraus, dass sich Planet und Stern um den gemeinsamen Schwerpunkt bewegen.

Weitere Informationen lassen sich problemlos von der gut unterhaltenen Webseite der ESO abrufen. Die folgende Graphik ist offenbar dem ESO press release vom 25. August 2004 entnommen. Suchen Sie dort die Antwort auf die Frage, wie lange eine ‘orbitale Phase’ in bürgerlicher Zeitrechnung dauert, mit anderen Worten, wie gross die Umlaufszeit dieses Planeten in Tagen oder Stunden ist.

 

 

http://www.eso.org/public/news/eso0427/